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Augenerkrankung bei Diabetes: Diabetische Retinopathie

In Deutschland leiden rund 11 Millionen Menschen an Diabetes. Dabei handelt es sich um eine Störung des Kohlenhydratwechsels mit der Folge zu hoher Blutzuckerkonzentrationen. Ein Großteil der Patienten– ganze 95 Prozent – ist von Typ-2-Diabetes betroffen. Zudem geht die Forschung von einer großen Dunkelziffer aus: Rund zwei Millionen Menschen wissen bisher noch nichts von ihrer Erkrankung. Pro Tag erhalten etwa 1.600 Menschen erstmals eine Diabetes-Diagnose. Diabetes schädigt insbesondere kleine Blutgefäße überall im Körper und wirkt sich deshalb auf viele Bereiche aus – auch die Augen können betroffen sein. Eine mögliche Folgeerkrankung ist die diabetische Retinopathie, die zunächst ohne Symptome verläuft und von Betroffenen erst spät wahrgenommen wird. Wenn schließlich die Sehstörungen spürbar sind, hat die Netzhaut bereits Schaden erlitten. In diesem Beitrag gehen wir genauer darauf ein, was die diabetische Retinopathie ist, wie du sie frühzeitig erkennen kannst und wie sie behandelt wird.

Artikel wurde von Prof. Dr. Hans-Jürgen Grein geprüft

Auf einen Blick

  • Bei der diabetischen Retinopathie handelt es sich um eine Erkrankung der Netzhaut.

  • Sie wird durch die Stoffwechselkrankheit Diabetes mellitus ausgelöst, die die Blutgefäße in der Netzhaut schädigt.

  • Die Symptome verlaufen zunächst unauffällig – Betroffene merken oft nicht, dass sie erkrankt sind.

  • Sind die Sehschäden erst einmal spürbar, ist die diabetische Retinopathie bereits weit fortgeschritten.

  • Es gibt Behandlungsmöglichkeiten, um das Fortschreiten der Krankheit zu verhindern und eventuell entstandene Schäden zu lindern.

Diabetische Retinopathie – Definition

Bei der diabetischen Retinopathie handelt es sich um eine Erkrankung der Netzhaut, die bei fortgeschrittenem Diabetes auftritt. Zunächst verläuft sie ohne spürbare Symptome, ehe sich in späteren Stadien Schädigungen der Netzhaut zeigen. Feine Blutgefäßwände werden brüchig und es kommt zu Einblutungen und Flüssigkeitsaustritt in die Netzhaut. Im weiteren Verlauf sterben Netzhautzellen ab, was je nach Ort auf der Netzhaut mit sehr unterschiedlichem Einfluss auf die Sehschärfe einhergeht. Später kann es zur Netzhautablösung kommen, die zur Erblindung führen kann. Die diabetische Retinopathie beschränkt sich dabei nicht auf einzelne Bereiche der Netzhaut, sondern betrifft sie im Gesamten. Oft geht sie zusätzlich mit dem diabetischen Makulaödem einher, bei dem sich Flüssigkeit an der Stelle des schärfsten Sehens einlagert, was zu unscharfem und verzerrtem Sehen führt.

Symptome der diabetischen Retinopathie

Betroffene spüren die diabetische Retinopathie zunächst nicht, da die Veränderungen am Sehvermögen schleichend auftreten. Zudem sind in vielen Fällen im frühen Stadium nur die Randbereiche der Netzhaut betroffen, während das zentrale Gesichtsfeld erst im späteren Verlauf Schaden nimmt.

Verschwommenes Sehen

Betroffenen fällt häufig zuerst auf, dass sie nur noch verschwommen Sehen. Gegenstände, Personen und andere Objekte werden nur noch unscharf erkannt, auch Farben können weniger kräftig erscheinen. Dieser Prozess tritt schleichend auf, sodass viele Betroffene die Erkrankung zunächst nicht bemerken oder für eine altersbedingte Verschlechterung des Sehvermögens halten.

Gesichtsfeldausfälle

Einblutungen in die Netzhaut und Einlagerungen von weiteren ausgetretenen Substanzen können zu Ausfällen im Gesichtsfeld (Skotome) führen, die umso mehr stören, je näher sie in der Gesichtsfeldmitte liegen. Die schlechte Gefäßsituation führt in der Folge zu einem Sauerstoffmangel im Netzhautgewebe, was zum weiteren Untergang von Netzhautzellen führt.

Am Ende droht Netzhautablösung

Die desolate Sauerstoffversorgung in der Netzhaut versucht der Körper mit dem Wachstum neuer Gefäße zu beheben. Was zunächst als Problemlösung anmutet, ist in Wirklichkeit eine dramatische Verschärfung der Situation. Die neu wachsenden Gefäße sind von sehr schlechter Qualität und führen zu noch mehr Einblutungen und Flüssigkeitsaustritt. Die austretenden Substanzen verkleben zu einer weißlichen Schicht auf der Netzhaut. Diese zieht sich zusammen und löst dabei die darunterliegende Netzhaut ab. Unbehandelt bedeutet das die Erblindung des Auges.

Wegen dieser schwerwiegenden Konsequenzen muss die diabetische Netzhauterkrankung unbedingt vor der Gefäßwachstumsphase behandelt werden. Reißen Blutgefäße auf und verteilt sich Blut in Form feiner Flecken vor der Netzhaut, können Betroffene dies als kleine, schwarze Punkte im Sichtfeld wahrnehmen, die das Sehen trüben. Dieses Symptom wird auch als „Rußregen-Wahrnehmung“ bezeichnet. Mitunter gehen die Beschwerden zusätzlich mit „Blitz“-Eindrücken einher. Betroffene haben das Gefühl, dass selbst im Dunkeln blitzartig ein helles Licht erscheint – auch bei geschlossenen Augen. Das weist auf Zug an der Netzhaut hin und ist ein wichtiges Alarmzeichen. Das Sehen eines Schattens in einem Gesichtsfeldbereich kann ein Hinweis auf eine beginnende Netzhautablösung sein.

Verzerrtes Sehen

Je weiter die Krankheit fortschreitet, desto schwieriger fällt es Betroffenen, klar zu sehen. Zusätzlich kann es früher oder später auch zu Verzerrungen im Blickfeld kommen. Ränder können nicht mehr klar abgegrenzt werden, gerade Linien, wie sie zum Beispiel auf kariertem Papier zu finden sind, werden gekrümmt oder gewellt wahrgenommen. Ursache für das verzerrte Sehen ist meist eine Flüssigkeitseinlagerung, also eine Schwellung in der Mitte der Netzhaut, die durch die diabetische Retinopathie ausgelöst wird.

Das ganze Auge leidet

Nicht nur die Netzhaut ist vom Diabetes betroffen. Oft kommt es zu einer Eintrübung der Augenlinse (auch als Katarakt bezeichnet) und so zu einer Verschlechterung des Sehvermögens. Diabetiker berichten auch über eine stark schwankende Sehleistung während des Tages. Bei der Messung der passenden Brillenglasstärke kann das zur Herausforderung werden. Auch in Phasen der Therapieumstellung können sich die Brillenglaswerte vorrübergehend verändern. Es ist deshalb sinnvoll, beim Brillenkauf auf einen eventuell vorhandenen Diabetes aufmerksam zu machen.

Wird die diabetische Retinopathie nicht rechtzeitig behandelt, kann es zu einer Netzhautablösung mit anschließender Erblindung kommen. Bei regelmäßiger augenärztlicher Untersuchung stehen zum angebrachten Zeitpunkt verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung, die Schlimmeres verhindern.

Ursachen für die diabetische Retinopathie

Die Netzhautprobleme bei der diabetischen Retinopathie entstehen durch instabile Blutgefäße. Ist der Blutzucker erhöht, kommt es auf Dauer zu Schäden an den Gefäßwänden – und das im gesamten Körper. Gar nicht selten ist gleichzeitig der Blutdruck erhöht, was die Gefäße zusätzlich belastet. Die besonders kleinen und empfindlichen Kapillargefäße im Auge sind davon besonders betroffen. Durch die andauernde Belastung zeigen sich im Laufe der Zeit erste Schäden – brüchige und verdickte Gefäßwände und Gefäßerweiterungen. Das ist die erste Phase einer diabetischen Retinopathie.

Während Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes als Hauptursache für die diabetische Retinopathie gelten, können weitere Faktoren die Krankheit zusätzlich verschlimmern:

  • Erkrankungsdauer: Je länger die Erkrankung besteht und je später sie erkannt wird, desto schwieriger gestaltet sich die Behandlung. Regelmäßige augenärztliche Kontrolle ist deshalb entscheidend.

  • Bluthochdruck: Dabei werden die feinen Blutgefäße der Netzhaut zusätzlich geschädigt und es kommt zu vermehrten Einblutungen und Flüssigkeitsaustritt ins Gewebe.

  • Pubertät/Schwangerschaft: Aufgrund der hormonellen Veränderungen in Pubertät und Schwangerschaft kann es zu einer Verschlechterung der diabetischen Retinopathie kommen.

  • Rauchen: Rauchen sorgt für eine Verschlechterung der Gefäßgesundheit, was die Entwicklung der diabetischen Retinopathie fördert.

Jeder vierte Diabetiker* ist von einer diabetischen Retinopathie betroffen – schwere Verläufe sind durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen jedoch vermeidbar.

Stadien der diabetischen Retinopathie

Der schleichende Verlauf ist es, der die diabetische Retinopathie zu einer so tückischen Krankheit macht. Im Frühstadium ist die Erkrankung noch gut behandelbar, während sich die Behandlung im fortgeschrittenen Stadium deutlich schwieriger gestaltet. Bei besonders schweren Verläufen kann es auch zu einem Funktionsverlust und bleibenden Schäden am Auge kommen.

Nicht-proliferative diabetische Retinopathie (NPDR) – das Frühstadium

Im Frühstadium der Erkrankung spricht man von einer nicht-proliferativen diabetischen Retinopathie. Betroffene bemerken meist noch keine Symptome, häufig wird die Erkrankung in diesem Stadium durch einen Arzt festgestellt. Erste Anzeichen sind Gefäßerweiterungen, retinale Blutungen, Aussackungen der Kapillare und Fettablagerungen im Auge. Mitunter kommt es auch zu Flüssigkeitseinlagerungen in die Netzhaut.

Die nicht-proliferative diabetische Retinopathie lässt sich in leichte und schwere Verläufe einteilen. Beim leichten Verlauf ist zunächst keine weitere Behandlung notwendig, abgesehen davon, dass der Blutzucker korrekt eingestellt und weitere Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck behandelt werden sollten. Außerdem sind regelmäßige augenärztliche Kontrolluntersuchungen notwendig, um ein Fortschreiten der Krankheit frühestmöglich zu erkennen. Kommt die Erkrankung in die schwere nicht-proliferative Phase, kann eine Laserbehandlung der Netzhaut ein weiteres Voranschreiten in die proliferative Phase verhindern.

Proliferative diabetische Retinopathie – das Spätstadium

Wird die Erkrankung nicht rechtzeitig behandelt, kommt es aufgrund der dauerhaften Unterversorgung der Netzhautzellen zu ernsten Veränderungen.

Die Netzhautzellen reagieren auf den anhaltenden Sauerstoffmangel mit der Ausschüttung von Signalstoffen, die zu einer Neubildung von Gefäßen (Proliferation bzw. Neovaskularisation) führen. Diese Gefäße sind von minderwertiger Qualität und undicht, sodass Flüssigkeit in die Netzhaut gelangt und vermehrt Einblutungen entstehen. Dringt das Blut in den Glaskörperraum ein, kann sich dies in Form von plötzlichen und starken Seheinschränkungen äußern.

Im weiteren Verlauf kommt es in diesem Stadium der diabetischen Retinopathie zur Membran-Bildung auf der Netzhaut. Diese von Narbensträngen durchzogenen Häutchen können sich zusammenziehen und die Netzhaut ablösen. Eine vollständige Erblindung droht.

Je länger die diabetische Retinopathie unbehandelt bleibt, desto eher drohen schwere Folgeschäden. So kann es im Verlauf der Erkrankung auch zur Bildung neuer, schadhafter Gefäße im vorderen Bereich des Auges kommen. Diese Gefäße entstehen auf der Regenbogenhaut (Iris) und wachsen weiter in den Kammerwinkel, also den Bereich, in dem das Kammerwasser abfließt. Es droht ein nur schwer behandelbarer Anstieg des Augeninnendrucks.

Die proliferative diabetische Retinopathie sollte umgehend von einem fachkundigen Augenarzt behandelt werden, damit dauerhafte Schäden verhindert oder zumindest reduziert werden können.

Diabetisches Makulaödem – eine weitere Folge der Erkrankung

Führt die diabetische Retinopathie zu einer Netzhautveränderung in der Makula (also dem Bereich, an dem das Auge am schärfsten sieht), spricht man von einer diabetischen Makulopathie. Dieses Erscheinungsbild der diabetischen Retinopathie kann in unterschiedlichen Phasen der Erkrankung auftreten. Durch einen Flüssigkeitsaustritt aus den kleinen Gefäßen im Auge entsteht hier eine Schwellung in der Mitte der Netzhaut, das sogenannte Makulaödem. Dies führt zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens und kann, wenn es nicht behandelt wird, zu einer dauerhaften Schädigung der zentralen Netzhaut führen, sodass das Auge unwiederbringlich an Funktionskraft verliert. Auch hier kann eine rechtzeitige Therapie für Linderung sorgen, sodass die Sehkraft in der Regel erhalten bleibt.

Behandlung der diabetischen Retinopathie

Wie die diabetische Retinopathie behandelt wird, hängt vom individuellen Befund ab. Grundlage der Therapie ist eine optimale Einstellung der Blutzuckerwerte und begleitender Erkrankungen, wie Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen. Das fällt in die hausärztliche oder internistische Zuständigkeit. Regelmäßige Kontrollen beim Augenarzt sind jedoch zwingend notwendig, damit ein Fortschreiten der Erkrankung frühzeitig bemerkt wird.

Im frühen Stadium der diabetischen Retinopathie ist oft noch keine Behandlung erforderlich. Der richtige Zeitpunkt zum Start der augenärztlichen Therapie darf aber nicht verpasst werden. Dann stehen unterschiedliche Behandlungsmethoden zur Verfügung. Der Augenarzt entscheidet im Einzelfall, welche dieser Methoden in Frage kommt.

  • Laserkoagulation: Droht das Wachstum neuer Gefäße aufgrund von Sauerstoffmangel in der Netzhaut, kommt diese Form der Lasertherapie zum Einsatz. Durch den Einschuss von bis zu mehreren tausend kleiner Laserherde in die periphere Netzhaut wird ein Teil der Netzhautzellen zerstört. Damit reduziert sich der Gesamtsauerstoffbedarf der Netzhaut. Die übrigen Zellen können dann ausreichend versorgt werden. Laserbehandlungen am Auge sind heute sehr präzise möglich und gelten als schonender Eingriff.

  • Intravitreale Injektionen: Hierbei wird ein Wirkstoff direkt in den Glaskörperraum des Auges gespritzt (IVOM). Dieses Medikament reduziert den Flüssigkeitsaustritt in die Netzhaut und verhindert das so gefährliche Wachsen neuer Gefäße. In der proliferativen Phase der Erkrankung, oder beim Auftreten eines diabetisches Makulaödems wird diese Therapie eingesetzt. Je früher die Behandlung beginnt, desto besser ist die Prognose. Bei schweren Verläufen können auch mehrmalige Injektionen notwendig sein, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

  • Augenoperation: Kommt es im fortgeschrittenen Stadium der proliferativen diabetischen Retinopathie zu Glaskörperblutungen, liegen starke Traktionsmembranen vor oder droht die Gefahr einer Netzhautablösung, so kann nur mithilfe einer Operation am Auge das Sehvermögen erhalten werden.

Warum ist Augenvorsorge so wichtig?

Viele Augenerkrankungen verlaufen schleichend und können lange unbemerkt bleiben. Das Problem: Oftmals können in dieser Zeit schon irreparable Schäden entstehen. Deshalb ist eine regelmäßige Augenvorsorge so wichtig. Sie hilft, Risikofaktoren rechtzeitig zu erkennen. Das ist für eine erfolgreiche Behandlung entscheidend: Etwa 75 % der Fälle von Sehverlust als Folge von Erkrankungen wären durch Früherkennung vermeidbar. Durch den Augen-Check-Up können Auffälligkeiten, die auf Erkrankungen hindeuten können, frühzeitig erkannt werden. Der Augen-Check-Up kann also helfen, Ihre Augengesundheit zu schützen.

Vorsorgeuntersuchungen sind wichtig!

Die regelmäßige Teilnahme an Screening-Programmen für Patienten mit Diabetes mellitus ist vor allem im Hinblick auf die diabetische Retinopathie sinnvoll, die bei regelmäßigen Kontrollen beim Augenarzt frühzeitig erkannt werden kann. Für die Behandlung gilt: Je eher die Diagnose feststeht, desto besser können schwerwiegende Folgen vermieden werden. Diabetiker sollten darauf achten, dass der Diabetes mellitus durch Einhalten einer Diät und regelmäßige Medikamente optimal eingestellt ist. Zudem lassen sich Begleiterkrankungen wie ein erhöhter Blutdruck durch Medikamente gut einstellen, um das Risiko für Netzhauterkrankungen zu reduzieren.

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