So funktioniert Sehen: von A wie Aderhaut bis Z wie Zapfen

Wenn kein Licht da ist, können wir nicht sehen. Was wie eine Binsenweisheit klingt, ist der erste Schritt auf dem Weg vom Licht zum Bild.

Augen brauchen Licht, um das visuelle Zentrum im Gehirn mit den nötigen Informationen zu versorgen, die dann im Bruchteil einer Sekunde zu einem Baum, einer Katze oder einem Sonnenuntergang zusammengesetzt werden. Sehen ist ein komplexer Vorgang, für den Lichtreize die Grundlage sind. Licht sind elektromagnetische Strahlen unterschiedlicher Wellenlängen.


Vom Licht zum Bild in fünf Sätzen

Von allem, was wir sehen – von Wolken und Wasserflaschen, Rotkohl und Rockstars – wird Licht reflektiert. Die zurückgeworfenen Lichtstrahlen treffen zunächst auf die Hornhaut, dringen durch die Pupille, treffen dann auf die Augenlinse, passieren eine gallertartige Flüssigkeit im Augeninnern, um schließlich auf die Netzhaut am hinteren Ende des Auges aufzutreffen. Hier wird das Licht in Nervenimpulse umgewandelt, die über den Sehnerv ins Gehirn gelangen. Erst im Kopf entsteht ein Bild. All dies geschieht in „Lichtgeschwindigkeit“!

Der Weg vom Licht zum Bild

Die Kamera im Kopf: das optische System

Damit wir ein Bild scharf wahrnehmen können, muss unser Auge die Lichtstrahlen auf der Netzhaut in einem Brennpunkt bündeln. Daher wird unser Auge häufig mit einer Kamera gleichgesetzt. Doch vergleichen Sie einen Rennwagen mit einem Tretroller? Das optische System unseres Auges funktioniert zwar wie eine Kamera, die durch Linse und Blende einfallendes Licht als Foto auf einem Film festhält. Aber erst auf der Netzhaut beginnt das Wunder des Sehens und erst im Gehirn entsteht das Bild, so wie wir es wahrnehmen. In diesem Prozess spielen auch Erfahrungen und Emotionen eine wichtige Rolle.

Das optische System unseres Auges setzt sich aus Hornhaut, Kammerwasser, Augenlinse und Glaskörper zusammen. Zusammen wirken diese Bestandteile des Auges wie eine Sammellinse mit einem Brechwert von etwa 60 Dioptrien oder – bleiben wir beim Beispiel der Kamera – mit einer Brennweite von circa 22 mm. Ein scharfes Bild entsteht durch die Bündelung des einfallenden Lichtes. Das Licht wandert – vom gesehenen Objekt reflektiert – durch die Pupille, die wie die Blende bei der Kamera durch den Pupillenreflex die Öffnungsgröße verändern kann, ans hintere Ende des Auges Richtung Netzhaut. Auf diesem Weg durch das Linsen-System aus Hornhaut, Kammerflüssigkeit, Augenlinse und Glaskörper wird das Licht in einem Punkt gesammelt.

Anatomie des Auges

Auf dem Weg vom Licht zum Bild treffen die Strahlen also zunächst auf den Augapfel, genauer gesagt auf die leicht gewölbte, durchsichtige Hornhaut. Die Wölbung der Hornhaut ist mit etwa zwei Drittel an der Lichtbrechung beteiligt.

Niemand kann weit entfernte und nahe Objekte zur gleichen Zeit scharf sehen. Nur was wir genau fixieren, sehen wir am schärfsten. Diese Anpassung an unterschiedliche Entfernungen – man spricht von Akkommodation – verdanken wir dem perfekten Zusammenspiel zwischen der Augenlinse und den Ziliarmuskeln.

Akkommodation der Augenlinse beim Blick in die Nähe

Akkommodation der Augenlinse beim Blick in die Ferne

Die Augenlinse ist an feinen, radspeichenartigen Zonulafasern an diesem ringförmigen Muskel aufgehängt. Beim Sehen in der Nähe kontrahiert der Ziliarmuskel; die Linse, nimmt ihre ursprüngliche, kugelige Form an und erreicht so einen höheren Brechwert. Das einfallende Licht wird also stärker gebrochen. Beim Blick in die Ferne kehrt sich der Vorgang um: Die Ziliarmuskeln entspannen sich, die Linse wird über die Zonulafasern flach gezogen und bricht das annähernd parallel auffallende Licht weniger stark. Die Ziliarmuskeln verändern also die Krümmung der Augenlinse und beeinflussen so die Brechkraft des Linsensystems.

Das alles passiert ohne unser Zutun ganz automatisch: Die Brechkraft wird stufenlos verändert. Mit zunehmendem Alter lässt die Elastizität der Augenlinse allerdings nach. Die Folge ist eine Altersweitsichtigkeit (Presbyopie), die sich durch eine Lesebrille oder Gleitsichtbrille leicht korrigieren lässt.

Fehlsichtigkeiten

Das Wunder des Sehens auf der Netzhaut

Das optische System muss das Licht also sammeln, damit es in einem Brennpunkt in der Sehgrube der Netzhaut auftrifft. Auf der Netzhaut trifft das Licht dann auf Sehzellen. Was sich dort abspielt, kommt einem Wunder gleich: Viele Millionen Sinneszellen bereiten die Informationen hier für unser Gehirn auf. Lichtimpulse werden in die chemische Sprache der Nervenimpulse übersetzt, die wiederum elektrische Reize auslösen, die dann auf Nervenbahnen ins Gehirn reisen. Das Bild, das auf der Netzhaut entsteht, ist nicht das Bild, das wir „sehen“. Das Netzhaut-Bild ist verkleinert, die Seiten sind vertauscht und die Welt steht auf dem Kopf! Erst unser Gehirn „denkt“ sich die Welt wieder „richtig“ und stellt alles Gesehene zurück auf die Füße! Bis heute ist der faszinierende Vorgang des Sehens nicht bis ins letzte Detail wissenschaftlich erforscht.

Adaption des Auges (Pupillenreflex) bei wenig Licht

Adaption des Auges (Pupillenreflex) bei viel Licht

Auf der Netzhaut finden sich Millionen Sehzellen – die Stäbchen und die Zapfen. Die Stäbchen sind in der Überzahl und lichtempfindlicher als die Zapfen. Sie springen noch bei geringer Lichtintensität an und senden ihre Impulse an das Gehirn. Mit schwindendem Licht geht jedoch die Detailschärfe verloren. Unsere Welt verliert außerdem rasch an Farbe, wenn es dunkel wird: Alles ist grau und unscharf. Je dunkler es wird, desto weiter öffnen sich die Pupillen, um so viel Licht wie möglich einzufangen. Dabei verliert das Bild an Tiefenschärfe. Die Anpassung an die Dunkelheit wird als Adaption bezeichnet. Von allen Farben erkennt der Mensch übrigens die Farbe Gelb auch noch bei wenig Licht; da sich Gelb in der Regel kontrastbetont vom Umfeld abhebt, ist es die ideale Signalfarbe.

Zapfen machen die Welt schön scharf und bunt!

Sehen sie rot? Dann werden langwellige Lichtstrahlen von einer Oberfläche reflektiert. Kurze Wellen wirken in unserer Wahrnehmung blau, mittelwellige grün. Werden von einem Objekt verschieden lange Wellen reflektiert, greifen die Gesetze der additiven Farbmischung: Es entstehen Mischfarben wie gelb, rosa, braun usw. Menschen können bis zu 5000 Farbnuancen wahrnehmen und unterscheiden.

Der Aufbau der Netzhaut

Über die Nervenbahnen gelangen die Farbreize ins Gehirn; dort entsteht die eigentliche Farbempfindung. Ein Förster sieht das Grün des Waldes vielleicht mit einer anderen Intensität als ein Städter? Emotionen und Erfahrungen spielen beim Farbsehen ebenfalls eine Rolle. Zapfen sind Farbspezialisten, die auf jeweils eine Wellenlänge reagieren. Werden alle drei Zapfentypen zu gleichen Anteilen gereizt, sehen wir Weiß. Die Zapfen und Stäbchen brauchen eine ausreichende Lichtintensität, um überhaupt anzuspringen. Die Redewendung „Nachts sind alle Katzen grau“ hat einen realen Hintergrund: Wenn es zu dunkel ist, wirkt die Welt auf uns farblos, weil die Zapfen ihre Tätigkeit eingestellt haben. Fehlt einer der Spezialisten – z.B. der Zapfentyp für die Farbe Rot – verwechselt man die Farben Grün und Rot, leidet man unter einer Farbblindheit.

Drei Dimensionen brauchen zwei Augen!

Drücken Sie mal ein Auge zu: Sie können jetzt nur ein flächiges Bild sehen! Es erscheint Ihnen trotzdem räumlich? Das macht unser Gehirn: Es nimmt Erfahrungswerte und gaukelt uns ein Raumgefühl vor. Mit einem Auge allein können wir nicht dreidimensional sehen. Dafür brauchen wir beide Augen, die optimal zusammenarbeiten. Unser rechtes Auge nimmt das Bild etwas mehr von rechts wahr, unser linkes Auge etwas mehr von links – wieder ist es das Gehirn, von dem das „richtige“ und räumliche Bild zusammengesetzt wird.

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